12. April 2023 | von Iris Wolf, Heilpädagogin

Freies Schreiben in der 2. Klasse

Seit Beginn der 2. Klasse haben die Kinder im Schulhaus Letten eine Lektion pro Woche Zeit, Texte zu einem selbstgewählten Thema zu schreiben. 
Dabei entstehen für die Kinder bedeutsame Texte, die von Alltagserzählungen über Auflistungen bis zu Fantasiegeschichten reichen. 

"Zuerst ist die Idee in meinem Kopf, dann schreibe ich es auf" (Zitat einer Schülerin). Schreiben ist eine von vielen Möglichkeiten, sich auszudrücken, etwas Persönliches zu erschaffen. Die Entdeckung der Buchstaben und das Zusammensetzen zu Wörtern aus der 1. Klasse führt nun in der 2. Klasse dazu, dass mit dieser neuerworbenen Fähigkeit ganze Texte entstehen können. 
Einmal in der Woche erhalten die Schülerinnen und Schüler der 2. Klasse von Ursula Ruinatscha und Selina Tanner im Schulhaus Letten Zeit, Texte in ihr Geschichtenheft zu schreiben. Es werden dabei keine Vorgaben gemacht. 
Die Kinder können für sie bedeutsame Texte schreiben. Die Herausforderung, die durch diese offene Form des Aufsatzunterrichts entsteht, ist unterschiedlich gross für die Kinder. 
Einige Kinder mögen es lieber, wenn sie ganz klar wissen, was die Aufgabe ist und was von ihnen erwartet wird und brauchen mehr Unterstützung und Motivation, andere geniessen diese Freiheit. 

Manchmal sprudeln die Ideen und der Start in die Schreibstunde fällt leicht. Ein anderes Mal ist es zäher und die Kinder wissen nicht, worüber sie schreiben sollen. Für solche Situationen steht die Ideenstation zur Verfügung. Dort finden die Kinder Bilder, Reizwortkarten oder Fragen, die zu Texten inspirieren können.

Bevor das eigentliche Schreiben beginnt, sammeln die Kinder bei Bedarf zum Thema passende Wörter, sie machen ein Cluster. 
Je nach Niveau des Kindes machen sie dieses alleine oder bekommen Unterstützung von den Lehrpersonen.

Ist eine Geschichte fertig, wird diese vom Autorenkind überarbeitet. Die dafür vorgegebenen Punkte entsprechen dem aktuellen Grammatikthema im Deutschunterricht. So findet ganz natürlich eine Verknüpfung von Theorie und Praxis statt. 
Aktuell kontrollieren die Kinder mit der Lupe, ob sie die Sätze mit einem Grossbuchstaben begonnen haben, diese mit einem passenden Satzzeichen beendet und die Nomen gross geschrieben haben. 

Nach der individuellen Überarbeitung wählt das Autorenkind ein anderes Kind aus und fragt dieses, ob es Zeit für eine Autorenlesung hat. 
Hier liest es seinen Text vor und bekommt das erste Mal eine Rückmeldung auf seinen Text.

Weiter besteht die Möglichkeit, die Geschichte der ganzen Klasse vorzulesen. Die Kinder, die sich dafür melden, bereiten sich darauf vor, indem sie für sich den Text mehrere Male laut lesen. Sie achten dabei auf Betonung und Lautstärke. 
Der Stolz auf die eigene Leistung und die Freude über den verdienten Applaus am Ende des Vortrags ist immer gross!

Das Hören der Geschichten kann die Kinder wieder zu eigenen Geschichten inspirieren. Die Schreibstunde ist unterdessen so etabliert, dass immer mal wieder Kinder kommen, die erzählen, dass sie schon wissen, was sie nächstes Mal schreiben werden. 
Damit sich die Schreibkompetenz der Kinder entwickeln kann, werden Inputs zu relevanten Punkten gegeben: Was macht einen guten Titel für eine Geschichte aus? Was ist überhaupt ein Satz? Wie sieht der Aufbau einer Geschichte aus?

So entstehen jede Woche berührende, gruselige, lustige, skurrile Geschichten und die Schreibkompetenz wächst an den individuellen Texten.